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Der Wortbestandteil „barm“

Wer sich für Wortgeschichte interessiert, kommt in diesem Artikel voll auf seine Kosten. Wir verfolgen die spannende Entstehung der Wörter „erbarmen“ und „barmherzig“.

Wie so oft im Leben sind Lateinkundige fein raus, denn diese können sich vielleicht schon denken, was eigentlich hinter barm- steckt. Das deutsche Verb erbarmen ist nämlich eine Lehnübersetzung des lateinischen Deponens (ein Verb, dessen Formen im Passiv stehen, das aber im Deutschen aktiv übersetzt wird) misereri, welches seinerseits das Adjektiv miser enthält. Letzteres bedeutet „arm, elend“, und die lautliche Ähnlichkeit zwischen arm und barm- ist ja schon sehr augenfällig.

Um dem b auf die Schliche zu kommen, müssen wir ins Althochdeutsche blicken, wo es bereits ein Verb armēn „arm sein, werden“ gab. Als nun das in der christlichen Liturgie äußerst wichtige Kyrie eleison („Herr, erbarme dich“) ins Deutsche übertragen wurde, schied armēn aufgrund seiner vorhandenen Bedeutung also schon einmal aus. Aber das Deutsche hat ja eine breite Palette an Vorsilben zur Auswahl. Indem man ab- „weg“ vor das Grundwort setzte, erhielt man das neue Verb abarmēn, was im eigentlichen Sinne „von Not befreien“ bedeutet.

Normalerweise hört man vor einer mit einem Vokal beginnenden Silbe im Deutschen einen Knacklaut. Sie können das selbst ausprobieren, indem Sie z. B. verderben und enterben laut aussprechen. Wenn Sie sich nun vorstellen, dass dieser Knacklaut bei enterben wegfällt, dann würde sich daraus ein potenzieller Wortstamm namens *terben ergeben. Genau das ist bei abarmēn passiert. Das nun einsame und vor allem bedeutungslose a- am Wortanfang wurde durch er- (althochdeutsch ir-) ersetzt, womit wir bei unserem geläufigen erbarmen angelangt wären. Das einfache Verb barmen gibt es auch noch, wenn auch nicht überall im deutschen Sprachgebiet. Im Norden und im Osten kennt man es in der Bedeutung „jammern, klagen“.

Ach ja, und eine letzte Info haben wir auch noch, was barmherzig betrifft: Im Althochdeutschen existierte (durch Vermittlung über das Gotische) die Lehnübersetzung von lateinisch misericors als armherz(īg). Nachdem dann aber im Verb das b sozusagen die Seiten gewechselt hatte, wirkte sich das auch auf das Adjektiv aus: In Anlehnung an das Verb wurde dem armherz(īg) nun ebenfalls ein b vorangestellt.

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