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Die geschlechts­­über­­greifende Ver­­­wendung mas­ku­liner Formen

In der öffentlichen Diskussion um geschlechtergerechten Sprachgebrauch spielt der Ausdruck „generisches Maskulinum“ eine große Rolle. Gemeint ist damit die geschlechtsübergreifende Verwendung eines maskulinen Wortes wie der Arzt bzw. die Ärzte für alle Menschen mit diesem Beruf: Die Ärzte in Deutschland sind gut ausgebildet („Menschen aller Geschlechter mit der entsprechenden medizinischen Ausbildung“).

Dieser geschlechtsübergreifende Gebrauch tritt insbesondere bei maskulinen Personen- und Berufsbezeichnungen auf, die auch eine feminine Form aufweisen, wie z. B. die Ärztin / die Ärztinnen zu der Arzt / die Ärzte oder Pronomen wie jede – jeder. Weitere Beispiele sind: Kunde – Kundin, Patient – Patientin, Einwohner – Einwohnerin, keiner – keine, dessen – deren.

Bei der geschlechtsübergreifenden Verwendung maskuliner Personenbezeichnungen ist sprachlich aber nicht immer eindeutig, ob nur männliche Personen gemeint sind oder auch andere.

  • In Kitas fehlen Erzieher.
  • Die Schüler der Klasse 7 treffen sich zum Fußball.
  • Ein Student muss heute seine Komfortzone verlassen.

Der Satz Die Ärzte der Station treffen sich in der Kantine kann also entweder verstanden werden als „alle männlichen Personen mit Medizinstudium und Approbation“ oder als „alle Personen (unabhängig vom Geschlecht) mit Medizinstudium und Approbation“.

Es gibt Kontexte, in denen die geschlechtsübergreifende Verwendung maskuliner Personenbezeichnungen eher akzeptiert wird als in anderen. Bei der Bestimmung dieser Kontexte spielen zwei Kriterien eine Rolle:

  1. Wie hoch ist der Grad der Spezifität, d. h., wie explizit wird über konkrete Personen gesprochen und kann man sich diese unmittelbar vorstellen?
  2. Handelt es sich um eine Singularform (Einzahl) oder eine Pluralform (Mehrzahl)? Wird also über einzelne Personen oder ganze Personengruppen gesprochen?

Spezifischer oder nicht-spezifischer Bezug?

Bei einer spezifischen Verwendung der maskulinen Form wird auf konkrete Personen verwiesen.

  • Lieber Kunde! (spricht Adressierte direkt an)
  • Meine Schwester ist Lehrer. (meine Schwester – konkrete Verwandte)
  • Der Patient Anna Mustermann ... (Anna Mustermann – Eigenname, konkret)
  • Jeder, der gestern dabei war, hatte seinen Spaß. (konkrete Personengruppe, die bei derselben Veranstaltung war)

Bei einer nicht-spezifischen Verwendung steht die allgemeine Zuschreibung zu einer Gruppe oder Klasse im Vordergrund.

  • Irgendein Arzt wird helfen können. (irgendein – nicht konkret, irgendjemand mit diesem Beruf)
  • Jeder, der möchte, kann mitmachen. (allgemeine Aussage, die keine konkrete Person anspricht)
  • Mieter haben die Pflicht zur Mietzahlung. (allgemeine Aussage, die keine konkrete Person anspricht)
  • In den Kitas fehlen Erzieher. (allgemeine Aussage, die keine konkrete Person anspricht)

Häufig ist eine Einordnung als spezifisch oder nicht-spezifisch nicht eindeutig zu treffen, sondern graduell als „eher spezifisch“ oder „eher nicht-spezifisch“ zu sehen.

Bei nicht-spezifischer Bezugnahme, d. h., wenn es nicht um konkrete Personen geht, ist es meistens weniger relevant, die Geschlechter der Personen(gruppen) sichtbar zu machen. Wenn man zum Beispiel über die Person spricht, bei der man Deutschunterricht hatte, ist es in der Regel relevanter, deutlich zu machen, ob es sich um einen Lehrer oder eine Lehrerin handelt, als wenn man verallgemeinernde, weniger spezifische Aussagen über alle Lehrkräfte in der eigenen Schulzeit trifft.

Singular oder Plural?

Darüber hinaus spielt für die Akzeptanz einer geschlechtsübergreifenden Verwendung maskuliner Formen eine Rolle, ob sich die maskuline Form auf eine Einzelperson (Singular) oder auf eine Personengruppe (Plural) bezieht. Maskuline Formen werden häufiger im Plural geschlechtsübergreifend verwendet als im Singular, da man Einzelpersonen eher gedanklich mit einem Geschlecht verbindet als ganze Personengruppen.

Plural:

  • unsere neuen Nachbarn
  • die Mieter des Hauses
  • nach Einschätzung von Experten

Singular

  • der neue Nachbar
  • der Täter ist unbekannt
  • ein Pfleger soll kommen

Unter anderem aufgrund der beschriebenen Doppeldeutigkeit der maskulinen Form wird seit einiger Zeit über sprachliche Alternativen diskutiert, mit denen eindeutig alle Menschen angesprochen werden können.

Weiterführende Informationen dazu finden Sie im Artikel „Geschlechtergerechter Sprachgebrauch“ und in unseren weiteren Beiträgen zum Thema Gendern. Mit vielen Sprachbeispielen noch mehr ins Detail geht das „Handbuch geschlechtergerechte Sprache” von Gabriele Diewald und Anja Steinhauer. In „Genderleicht“  gibt Christine Olderdissen einen Einblick in die vielfältigen sprachlichen Möglichkeiten, die uns im Deutschen zum Gendern zur Verfügung stehen. Und alle, die bei konkreten Fragen verlässliche und schnelle Antworten brauchen, finden Rat in Johanna Usingers „Einfach können – Gendern“.

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Aussprache von „-innen“ in geschlechtergerechten Personenbezeichnungen

In diesem Artikel behandeln wir die phonetischen Feinheiten geschlechter- und gendergerechter Personenbezeichnungen, also zum Beispiel den lautlichen Unterschied zwischen „Ulmer*innen“ und „Ulmerinnen“.

Geschlechter­gerechter Sprach­gebrauch

Bei Bezeichnungen wie die Antragsteller; alle Schüler; Kollegen ist sprachlich nicht eindeutig, ob nur auf Männer referiert wird oder ob auch andere ­Personen gemeint sind. Das Deutsche bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren. Es gibt dafür allerdings keine Norm. Im aktuellen Rechtschreibduden geben wir einen Überblick über verschiedene Optionen.

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