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Wort des Jahres 2006: „Fanmeile“

Glosse zum Wort des Jahres 2006 von Dr. Jochen A. Bär, Herausgeber des Titels „‚Von aufmüpfig bis Teuro‘ – Die ‚Wörter der Jahre‘ 1971-2002“ aus der Reihe „Thema Deutsch“.

Im Sommer 2006 war in Deutschland „die Welt zu Gast bei Freunden“ – so das offizielle Motto der Fußballweltmeisterschaft, der lange erwarteten WM im eigenen Land. Das Großereignis lockte Besucher aus aller Welt an. Selbst Zeitgenossen, die ansonsten für die „schönste Nebensache der Welt“ nicht allzu viel übrighaben, wurden vom Fußballfieber erfasst. Die Stimmung im Land war, verglichen mit den Vorjahren, deutlich besser: Halb ungläubig erlebte sich Deutschland kollektiv unverkrampft und in Partylaune. Vermeintlich typisch deutsche Sichtweisen wie „Das Glas ist halb leer“ hatten auf einmal ausgedient. Selbst der lang ersehnte wirtschaftliche Aufschwung, der in der zweiten Jahreshälfte immer deutlicher erkennbar wurde, stand für viele in unmittelbarem Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft – Gründe genug für die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache, gleich drei Ausdrücke aus dem Themenbereich WM in die Liste der Jahreswörter aufzunehmen: Fanmeile (Platz 1), Klinsmänner (Platz 9) und schwarz-rot-geil! (Platz 10).

Unter Fanmeilen versteht man öffentliche Räume, in denen große Menschenmengen Sportübertragungen auf Großbildleinwänden verfolgen können. Ursprünglich waren sie dafür gedacht, Fans, die keine Eintrittskarten zu den Stadien bekommen hatten, zumindest mittelbar bei den Spielen dabei sein zu lassen. Die Notlösung entwickelte jedoch einen eigenen Reiz und das gemeinsame öffentliche Fußballgucken – Public Viewing genannt – erfreute sich rasch großer Beliebtheit. Hunderttausende Fußballbegeisterte aus aller Welt feierten in entspannt-friedlicher Atmosphäre ihre Mannschaften, den Fußball, vor allem aber sich selbst.

Bereits im Jahr 2005 war Fanmeile ein oft zu hörendes und zu lesendes Wort gewesen. Der Berliner Senat hatte zunächst die Möglichkeit diskutiert, einen WM-Park im Spreebogen einzurichten, zog dann aus Sicherheitsgründen jedoch die Straße des 17. Juni vor. „Fanmeile an der Siegessäule“, meldete daraufhin der Tagesspiegel (13.11.2005). Die viel befahrene Straße wurde sechs Wochen lang auf 2,7 Kilometern für den Verkehr gesperrt; der dadurch zur Verfügung stehende Raum entsprach vierzehn Fußballfeldern. Auf insgesamt neun Großbildleinwänden sahen bis zu einer Dreiviertelmillion Zuschauer die Spiele.

Auch in anderen Städten gab es Fanmeilen, so in Hamburg, München, Gelsenkirchen, Dortmund, Leipzig und Köln. In Frankfurt am Main diente das Museumsufer als Public Viewing Area.

Am Ende blieb zwar für die Klinsmänner, die im Halbfinale gegen Italien scheiterten, nur der dritte Platz, aber bei der Abschiedsveranstaltung der Nationalmannschaft auf der Berliner Fanmeile feierten am 9. Juli 2006 mehr als 800 000 Menschen ihre Weltmeister der Herzen.

Jochen A. Bär

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