Über den Recht­schreib­duden

In diesem Interview spricht Dr. Kathrin Kunkel-Razum, Leiterin der Dudenredaktion, über den neuen Rechtschreibduden. 3000 neue Wörter haben es in die 29. Auflage geschafft.

Foto: Dr. Kathrin Kunkel-Razum

Warum erscheint jetzt ein neuer Duden?

Dr. Kathrin Kunkel-Razum:
Im Wortschatz hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan – wir haben 3000 Wörter neu aufgenommen. Der Hauptgrund für das Erscheinen im Sommer 2024 sind aber die rechtschreiblichen Änderungen, die der Rat für deutsche Rechtschreibung in den vergangenen Jahren erarbeitet und auf seiner letzten Sitzung der 3. Amtsperiode (Dezember 2023) verabschiedet hat. Inzwischen haben die verantwortlichen Stellen der sieben im Rat vertretenen Länder der Neufassung des Amtlichen Regelwerks und des Amtlichen Wörterverzeichnisses zugestimmt und damit können diese Änderungen auch in Wörterbüchern umgesetzt werden. Für Schule und Verwaltung sind die neuen rechtschreiblichen Änderungen verbindlich und der neue Duden enthält alle nun gültigen Schreibweisen.

Spannend sind ja auch immer die neuen Wörter. Welche neuen Wörter haben es in den Duden geschafft?

Dr. Kathrin Kunkel-Razum:
Zu den neuen Wörtern im Duden gehören Astronautennahrung, Blühstreifen, ChatGPT, Deutschland-Ticket, Erzählcafé, Flüssiggasterminal, Gedankenkarussell, Hitzewallung, Impfnachweis, Jännerloch, Klimagerechtigkeit, Lichtverschmutzung, Mietenstopp, Neurodiversität, Onsen-Ei, Pflichtfeld, Quasimonopol, Regenbogenfahne, Schwiegerfamilie, Triggerwarnung, Ukrainekrieg, Vogelschiss, Wechselunterricht, X-Account, Yogini, Zweinutzungshuhn.

Ist Ihnen bei der Auswahl der Neuaufnahmen etwas besonders aufgefallen?

Dr. Kathrin Kunkel-Razum:
Wie jedes Mal, wenn wir uns über die Listen mit neuen Wörtern beugen, ziehen die vergangenen Jahre noch einmal an mir vorbei. Seien es Fußballspieler/-innen, deren Namen häufig in der Zeitung stehen (und die wir nicht aufnehmen), oder seien es wichtige politische bzw. gesellschaftliche Ereignisse. Wir sehen die Jahre sozusagen im Zeitraffer, kondensiert in Excellisten. Intensiv haben wir noch einmal über den Coronawortschatz diskutiert. In die Auflage von 2020 sind die ersten Coronawörter eingegangen, wir wussten damals nicht genau, welche sich wirklich etablieren würden. Jetzt sehen wir das deutlicher.

Ansonsten könnte man die Entwicklung vielleicht mit KKK beschreiben: Krise, Krieg und Kochen. Wir finden viele Wörter, die mit den Krisen und den Kriegen in Deutschland, Europa und der Welt verbunden sind. Wir sehen aber auch, dass beispielsweise das Kochen als (Freizeit)-beschäftigung offenbar einen hohen Stellenwert erreicht hat, und so finden sich nun auch der Sushireis und das Onsen-Ei im Duden.

Wie wählen Sie neue Wörter aus?

Dr. Kathrin Kunkel-Razum:
Wir analysieren mithilfe computerlinguistischer Methoden, welche Wörter seit der letzten Auflage, also seit dem Sommer 2020, neu in unsere digitale Textsammlung (Dudenkorpus) eingezogen sind bzw. dort viel häufiger auftreten als früher. Diese werden in einer Excelliste mit ca. 15 000 Einträgen dargestellt und nach der Häufigkeit sortiert. Diese Liste schauen wir uns dann in der Redaktion sehr genau an und wählen daraus die 3000 Neueinträge aus. Für alle Aufnahmekandidaten gilt: Die Wörter dürfen keine Eintagsfliegen“ sein, müssen also über einen längeren Zeitraum nachgewiesen werden, sollen nicht nur von einem Menschen, Autor oder Autorin benutzt werden und über verschiedene Textsorten verteilt sein.

Welche Wörter wurden aus dieser Auflage gestrichen und warum?

Dr. Kathrin Kunkel-Razum:
Zunächst einmal haben wir eine ganze Reihe von Schreibvarianten gestrichen, die nach der Neufassung des Amtlichen Regelwerks nicht mehr zulässig sind. Dazu gehören u. a. Tunfisch und Spagetti. Weitere Streichungen betreffen bestimmte morphologische Varianten von Stichwörtern, die nur noch selten vorkommen, z. B. Gesetzauslegung statt Gesetzesauslegung. Aber es wurden auch einige Stichwörter gestrichen, z. T. weil die Gegenstände/Sachverhalte, die sie benennen, nicht mehr existieren oder gebräuchlich sind, oder weil die Wörter selbst veraltet sind und neue dafür gefunden wurden. In diese Gruppe gehören zum Beispiel der Frigidär (Kühlschrank), das Juckergeschirr (ein bestimmtes Pferdegeschirr) und der Rationalisator (DDR; Angestellter, der mit Rationalisierungsaufgaben betraut ist).

Welches sind Ihre Lieblingswörter aus den Neuaufnahmen?

Dr. Kathrin Kunkel-Razum:
Diese Frage ist immer schwer zu beantworten, es gibt so viele schöne, originelle, wichtige Wörter. Diesmal mag ich besonders Mocktail, Mitarbeitende, Plauderlaune, Quetschie und Badi. Am Herzen liegt mir natürlich auch ein Rückkehrer, der Hackenporsche.